GOT-Änderung 2022

Dechra-Ausgabe der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT)

Tierärzte haben volles Verständnis dafür, dass die höheren Tierarztkosten durch die neue GOT zu einem für die Tierhalter schwierigen Zeitpunkt in Kraft treten, da die Nerven der Menschen durch die Krisen der letzten Jahre sowie die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bereits stark strapaziert sind.

Und die Erhöhung der tierärztlichen Gebühren ist längst überfällig, da die letzte grundlegende GOT- Änderung 1999 erfolgte, und die aktuell in Kraft tretenden Gebühren bereits seit Jahren (2012) in Planung sind und zuletzt 2020 überarbeitet wurden.  Die gravierenden Veränderungen der letzten Zeit sind also in der neuen GOT noch gar nicht berücksichtigt.

Für Interessierte erklärt Dr. Kai Kreling in seinem Equinar (youtu.be/nZ6D84dToCQ) sehr ausführlich die Hintergründe und Auswirkungen der „neuen“ GOT.

Eine angemessene Gebührenhöhe für tierärztliche Leistungen mit Anpassungen an steigende Kosten ist notwendig, um dauerhaft eine tierärztliche Versorgung, insbesondere auch in Notfallsituationen, zu sichern. Schon jetzt sind aufgrund des Tierarztmangels in vielen Regionen die gewohnt komfortablen Sprechstunden- und Notdienstbedingungen der letzten Jahrzehnte nicht mehr aufrecht zu erhalten, und nicht akut lebensbedrohliche Notfälle werden in Tierarztpraxen und  Kliniken manchmal abgewiesen, wenn die Tierärzte mit der Rettung eines anderen bedrohlicheren Notfalls ausgelastet sind.

Für Tierärzte wäre eine regelmäßige Gebührenanpassung an die steigenden Kosten nicht nur wirtschaftlicher als die seltenen relativ gravierenden Veränderungen, sondern sie würde sicher auch auf mehr Verständnis bei den Tierhaltern treffen. Die tierärztlichen Gebühren werden  in einem recht langwierigen politischen Gesetzgebungsverfahren, also nicht von Tierärzten, sondern von der Politik festgelegt. Dadurch dauert es oft viele Jahre bis auf Veränderungen reagiert wird, die dann gar nicht mehr im allgemeinen Bewusstsein präsent sind (z.B. Euro- Umstellung, arbeitsrechtliche Veränderungen mit erheblichem Anstieg der Kosten etc).

Grundsätzlich wurde die GOT entworfen, um Tierhalter zu schützen. So gibt es ein oberes Limit für die Gebührenhöhe, das gerade in Regionen mit wenigen Tierärzten oder bei Spezialleistungen vor überzogen hohen Abrechnungen schützt. Auch das untere Limit schützt die Tierhalter: Vor Qualitätsverlust durch Dumpingpreise. Der einfache Satz der GOT ist nach Einschätzung der Politik das Minimum, das ein Tierarzt einnehmen muss, um eine ordnungsgemäße Behandlungsqualität zu gewährleisten. Preise unter diesem Niveau würden auf Dauer zu Einsparungen an Personal, eigener Fortbildung und technischer Praxisausstattung führen, die die Behandlungsqualität, und damit die tierärztliche Versorgung Ihrer Tiere, gefährden würden.

Seit 1999 sind die Kosten in vielen Bereichen des Praxisalltags gestiegen: Neben allgemeiner Teuerung und Kosten wie Miete,  Energie, Strom, Material oder externe Dienstleistungen, erhöhtem bürokratischen Aufwand sowie Fahrtkosten für Hausbesuche sind besonders die höheren Ansprüche an die technische Ausstattung und der Bereich der Personalkosten in den letzten 23 Jahren extrem gestiegen.  Nicht nur durch allgemein gestiegene Löhne und Gehälter, sondern vor allem durch arbeitsrechtliche Veränderungen bei den Arbeitszeiten.

So sehr den Angestellten  der Tierarztpraxen und Kliniken zu gönnen ist, dass Arbeitszeiten im Not- und Bereitschaftsdienst und Überstunden mittlerweile durch Freizeit zeitnah ausgeglichen werden müssen, führen diese Veränderungen dazu, dass für das gleiche Arbeitspensum, das früher ein angestellter Tierarzt geleistet hat, heute mehrere Tierärzte benötigt werden. Gleiches gilt für TFA. Dies führt nicht nur zu extrem gestiegenen Kosten, die auch durch die neue GOT nur ansatzweise abgefangen werden. Oftmals können Tierarztpraxen und besonders Kliniken gar nicht mehr genug Tierärzte und TFA finden, um einen 24- Stunden- Notdienst in der seit Jahren gewohnten Form zu gewährleisten. Immer mehr Tierkliniken geben aus diesem Grund ihren Klinikstatus, und damit die Notdienstverpflichtung, ab. Das führt in einem Dominoeffekt zu  umso stärkeren Belastungen der verbleibenden Tierkliniken und auch der Tierarztpraxen. Auch immer mehr Tierarztpraxen schränken wegen des Personalmangels bereits ihre Öffnungszeiten und Erreichbarkeit ein. Wenn im Supermarkt die Käsetheke wegen Personalmangels zeitweise nicht besetzt wird, ist das zwar ärgerlich, aber es wird auch keiner daran sterben. In der Tierarztpraxis sieht das leider anders aus!

In den letzten Jahren können zunehmend nicht alle Stellen besetzt werden, die in Kliniken und Praxen angeboten werden. Zudem finden immer häufiger aufhörende Tierärzte keine Nachfolger für ihre Praxen. Sie schließen ihre Praxen ohne Ersatz oder die Praxis wird von einer bereits bestehenden Praxis übernommen. So kommt es zu insgesamt weniger Tierärzten bei gleichzeitig höherem Bedarf an Tierärzten durch arbeitsrechtliche Regelungen und größere Nachfrage sowie höhere Qualitätsansprüche an die tierärztliche Versorgung.

Bereits heute ergeben sich hieraus immer wieder problematische Situationen, in denen Patienten nicht so schnell versorgt werden können, wie es wünschenswert ist, und Tierhalter weite Wege bis zum nächsten Tierarzt oder bis zur nächsten Klinik in Kauf nehmen müssen. Wenn wir die tierärztliche Versorgung auf Dauer sicherstellen wollen, müssen wieder mehr junge Tierärzte für die Arbeit in Tierarztpraxen und Kliniken motiviert werden. Hierbei ist Geld sicher nicht der einzige Aspekt, aber adäquate Einnahmen der Praxen für ihre Leistungen sind ein wichtiger Faktor, um insgesamt überzeugende Rahmenbedingungen für die tierärztliche Praxistätigkeit zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund trifft es die Tierärzte hart, wenn ihnen vorgeworfen wird, mit den aktuellen Gebühren den Tierschutz zu gefährden und zur massenhaften Abgabe / Aussetzen von Tieren beizutragen. Ist bei einem abgegebenen Tier wirklich die GOT die Ursache? Oder ist sie nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Bei vielen Behandlungen wird es zwar teurer, aber sicher nicht so sehr, dass das eine Abgabe der Tiere erklärt. Zudem werden gerade bei den häufig genannten Beispielen chronisch kranker Tiere (nierenkranke Katzen und herzkranke Hunde) die Behandlungskosten weniger durch die tierärztlichen Gebühren, sondern zu einem sehr großen Teil durch Medikamente und spezielles Futter bestimmt. Auf die Preisentwicklung der Arznei- und Futtermittel hat der Tierarzt keinen Einfluss und ist somit gar nicht der richtige Adressat für Vorwürfe.

Es ist grundsätzlich auch interessant, einmal zu vergleichen in welchem Maß die Kosten der Tierhalter für Futter, Leckerli und Zubehör wie Spielzeug, Leinen und Körbchen oder Kratzbäume etc. gestiegen sind.  Dagegen fällt der Anstieg der tierärztlichen Gebühren geradezu moderat aus.

Trotzdem verstehen Tierärzte natürlich, wenn Tierhalter in Sorge sind, wie sie ihren Tieren trotz der gestiegenen Kosten eine adäquate Versorgung bieten können:

Mit den folgenden Tipps können Tierhalter selbst viel dazu beitragen die Behandlungskosten für ihre Tiere möglichst gering zu halten:

  • Vermeiden Sie Notdienstbehandlungen nach Möglichkeit durch rechtzeitige Behandlung und planmäßige Prophylaxe. Ein Großteil der Anrufe im Notdienst beginnt mit „Mein Tier hat schon seit Tagen / Wochen…“ In diesen Fällen können Tierhalter sehr viel Geld sparen, wenn sie bei nicht eintretender Besserung eine Behandlung rechtzeitig VOR dem Wochenende oder Notdienstbeginn vornehmen lassen. Zudem ist im Frühstadium oft weniger Aufwand nötig, um dem Tier zu helfen.  Bei der Einschätzung ob es sich um einen dringenden Notfall handelt, helfen die Tipps, die immer mehr Kliniken und Tierarztpraxen auf ihrer Homepage bereitstellen. Manchmal hilft auch die Beratung über Telemedizin, einzuschätzen ob und in welcher Form eine Notfallbehandlung notwendig ist. Es macht auch Sinn, bereits im Vorfeld eines wirklichen Notfalls zu überlegen, wie der Notdienst in Ihrer Region strukturiert ist, wo die nächste Klinik erreichbar ist und wie Sie Ihr Tier bei Bedarf dorthin transportiert bekommen.

  • Viele Erkrankungen können durch eine optimierte Haltung verbessert oder sogar vermieden werden. Durch eine gute Zusammenarbeit mit Ihrem Haustierarzt und Beratungen zu Fütterung, Training und allgemeiner Haltungsoptimierung können Sie nicht nur Geld sparen, sondern die Lebensqualität Ihres Tieres erheblich verbessern.  Vorbeugen ist bekanntlich besser als heilen.

  • Auch teure mehrfache Diagnostik zur gleichen Thematik kann bei guter Zusammenarbeit zwischen Ihrem Haustierarzt und weiteren hinzugezogenen Tierärzten oft vermieden werden. Bringen Sie bereits vorhandene Befunde, Röntgenbilder etc. mit zum nächsten Tierarzt. Das spart Zeit und Geld.

  • In vielen Fällen können Versicherungen helfen, die Behandlungs- und Operationskosten abzufangen. Es lohnt sich, zu prüfen, ob Sie einen passenden Tarif finden.

  • Last, but not Least: Hören Sie Mailboxansagen Ihres Tierarztes bitte immer bis zum Ende an. Hier wird Ihnen erläutert wie Sie schnellstmöglich Hilfe für Ihr Tier erreichen.

Dr. Ina Rheker